Arkadische Szene

Fritz Griebel: Arkadische Szene, um 1930er, Öl/Lwd., 80 x 100 cm

Auf einer weiten, saftig grünen Wiese gruppieren sich weibliche und männliche Akte um ein stehendes Aktpaar. Der Mann ist als Rückenfigur wiedergeben, die Frau in Frontalsicht. Das dunkle und helle Inkarnat der Geschlechter lässt sich bis zur griechischen Vasenmalerei zurückverfolgen. Griebel malte hier eine moderne Variante von Adam und Eva.

Alle Figuren des Bildes sind für sich. Es findet keine Kommunikation statt. Der Blick Evas schweift in die Ferne. Adams Hände sind vor der Brust angewinkelt und berühren Evas Hand nicht. Im Vordergrund in Evas Nähe spielt ein nackter Knabe mit einem dunklen Hund. Beide Figuren sind etwas am Bildrand angeschnitten, als ob sie gerade ins Bild laufen.

Links von Adam sind drei weibliche Akte, von denen einer steht, während die anderen beiden mit angewinkelten Beinen sitzen. Rechts von Eva streckt ein Mann seine Beine aus und eine Frau liegt in klassischer Haltung seitlich auf der Wiese.

Die zum Teil kahlen Bäume, die verteilt auf der Wiese stehen, korrespondieren mit den stehenden Akten. Die Gruppe wird im Hintergrund von dunkelgrünen Bäumen und Büschen abgeschlossen. Gelbe Getreidefelder erstrecken sich bis zum Horizont. Der blaue Himmel ist von hellgrauen Wolken verhangen.

Das skizzenhaft gemalte Bild gehört zur Werkgruppe Arkadien nach den Badenden von Paul Cézanne (1839–1906). 1926 reiste Fritz Griebel für zwei Monate nach Paris, um Werke des »Vaters der Moderne« im Original studieren zu können. Auch später während seiner Lehre an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg legte er seinen Studenten noch Mappenwerke mit Bildern von Cézanne vor.

In der Serie der Badenden setzte sich Cézanne mit Fragen der Komposition, das Zusammenleben der Geschlechter und sexueller Identität auseinander. Das Bildthema durchzieht sowohl Cézannes Gesamtwerk als auch das von Griebel. Von dem Franzosen sind ungefähr 200 Varianten bekannt.

Das Motiv der Badenden hat eine lange malerische Tradition, die von Tizian (1490–1576), über Goya (1746–1828) bis zu Courbet (1819–1877), Manet (1832–1883) und Renoir (1841–1919) reicht. Es zeigt den nackten Menschen harmonisch in einem Naturzusammenhang eingebunden. Bei Cézanne rückt die Darstellung wirklich badender Menschen mehr und mehr in den Hintergrund. So sind die Verrichtungen der Badenden bald nicht mehr eindeutig gekennzeichnet und werden später auf elementare Körperhaltungen wie Stehen, Liegen, Hocken und Sitzen reduziert.

Da Cézanne große Scheu vor nackten Menschen hatten, verwendete er vor allem Zeichnungen nach antiken Vorbildern und nach klassischer Malerei. Dies dürfte einer der Gründe für Griebels großes Interesse an diesen Bildern Cézannes gewesen sein, war er doch zeitlebens mit antiker Kunst verbunden.

Fritz Griebel: Arkadien, 1930er-Jahre, Öl/Lwd., 75 x 98 cm, FG 0047

Die aus der Erinnerung an Jugenderlebnisse – Badeausflüge mit Émile Zola (1840–1902 ) an den Ufer der Arc und Torse – entstandene Serie der Badenden verkörpern ein idealisiertes Dasein, ohne antikisierend überformt zu sein und fordern zur Zeitgenossenschaft auf. Seine Badenden sind eine »Utopie der Freiheit: der symbiotischen Beziehung von Natur und Mensch als Prinzip Hoffnung.«

Knüpfte Griebel besonders an diesen Aspekt in früheren Darstellungen an, so charakterisiert dieses Werk des Monats keine utopistische Vorstellung von der Harmonie zwischen den Geschlechtern und der Harmonie zwischen Mensch und Natur: Die Bäume im Vordergrund sind kahle Stämme, die Natur ist kein Schutzraum der Menschen mehr. Das gesamte statuarisch wirkende Figurenpersonal wirkt seltsam entrückt – von einander und von sich selbst. Adam und Eva befinden sich nicht mehr in einem paradiesischen Urzustand. Das Prinzip Hoffnung wird nur noch von mit dem Hund spielenden Knabe verkörpert. Beide – Knabe und Hund – sind nach bisherigen Erkenntnissen singulär im Werk Griebels. Wollte Griebel mit diesem Bild auf die gesellschafts-politischen Verhältnisse anspielen?

 

Antje Buchwald 2017

 

Literatur:

  • Bohde, Daniela/Fend, Mechthild (Hg.): Weder Haut noch Fleisch. Das Inkarnat in der Kunstgeschichte. Berlin 2007
  • Düchting, Hajo: Paul Cézanne (1839–1906). Natur wird Kunst. Köln 1990, Zitat S. 149.