Pottloch

Fritz Griebel: Pottloch, 1935, Aquarell auf Papier, 44 x 55 cm, FG 0809

Auf seinen unzähligen Reisen hielt Fritz Griebel seine Impressionen gern in Aquarellbildern fest. Diese Technik erfordert einen versierten Maler, der das Gesehene schnell und unmittelbar mit dem Pinsel auf das (nasse) Papier überträgt.

1935 unternahm Griebel eine Reise an die Ostsee nach Pottloch in Kronsgaard in Schleswig Holstein. Hier malte er ein querformatiges Strandbild, welches eine Familie beim Bau einer Sandburg zeigt. Der Vater in kurzärmeligen Hemd und Shorts hält eine Schippe in der Hand, sein rechtes Bein hebt er an, gleich wird er den Sand ausheben. Die Mutter im langen dunkelblauen Rock und langärmeliger Bluse beobachtet ihre beiden Söhne, die vielleicht einen Krebs entdeckt haben. Während die Kinder seitlich in ihrem Tun festgehalten sind, malte Griebel die Eltern als Rückenfiguren.

Im Hintergrund fährt ein Schiff auf der blaugrünen, ruhigen Ostsee. Der mit zarten Wolken verhangene Himmel verstärkt die Atmosphäre eines unbeschwerten Urlaubstages im Sommer.

Im 18. Jahrhundert galt vielen Menschen im Binnenland das Meer als ein Reich Satans und der Höllenmächte. Viele Städter und Landbewohner konnten ohnehin nicht schwimmen. Wer ins Wasser stieg, betrat die Welt des Ungewissen. Als britische Aristokraten die Heilkraft von Salzwasser entdeckten, änderte sich das schlechte Image des Meeres – der Tourismus in den Bädern an Nord- und Ostsee begann. Das erste deutsche Seebad entstand 1793 in Heiligendamm. Es war der Göttinger Philosoph Georg Christop Lichtenberg (1742–1799) der mit seinem Aufsatz „Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad?“ den Anstoß dazu gab. Unterstützt wurde er von Friedrich von Ilberg (1858–1916), dem Leibarzt des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. (1859–1941).

Willem Hermansz. van Diest (ca. 1629–ca. 1668): Zicht op de rede van Fort Rammekens bij Vlissingen, 1657, Öl/Lwd., Maritiem Museum Rotterdam. Quelle: www.wikipedia.org

So prüde, wie die Gesellschaft damals war, war auch das Strandleben. Gebadet wurde getrennt nach Geschlechtern – die meisten hielten sich an die Regel der Engländer: „Three dips and out“. In Preußen versuchte man noch 1932, als das Sonnenbaden in Mode kam und der Badeanzug in den USA aufkam, mit dem „Zwickelerlass“ anstößige Kleidung zu verbieten – Badeanzüge und -hosen mussten einen Zwickel haben.

In der Kunstgeschichte hat das Strandbild, das bedeutet die Darstellung des Wirkungsbereichs der an Wellen liegende Teil einer Küste, auch der von See- und Flußstränden, seit der Antike Tradition. Aber erst im 17. Jahrhundert bildete sich in der niederländischen Landschaftsmalerei das „strandgezicht“ als eigene Bildgattung heraus. Es ist eine ,Hybridgattung‘ zwischen Landschaft und Seestück.

Im 19. Jahrhundert gehörte das Strandbild mit zu den wichtigsten Themen der französischen Impressionisten, oft malten sie denselben Ort bei wechselnder Beleuchtung und evozierten so verschiedene Stimmungen. Sie malten das mondäne Strandleben und die reine Natur, das heisst des Strandes als Kontrast zur zivilisierten Großstadt.

Bei den Romantikern ist das Bild vom Strand und der See im wesentlichen Gleichnis der Konfrontation des Menschen mit der Erhabenheit der Natur. Caspar David Friedrichs (1774–1840) „Mönch am Meer“, das mit der damaligen Tradition der Landschaftsmalerei radikal brach, gilt heute als „Altarbild des modernen Menschen“, führt es die eigenen Ängste und die letzte Unergründbarkeit der Schöpfung vor Augen.

Griebel zeigt in seinem Strandbild die Erwachsenen – besonders den Vater – im Einklang mit dem kindlichen Tun – fern der damaligen gesellschaftlichen Konvention. Mit leuchtenden Farben schuf er ein Stimmungsbild – eine zeitlose Erinnerung an ein Ereignis am Strand der Ostsee, das er beobachtete oder künstlerisch umformulierte.

Antje Buchwald 2019

 

Literatur: