Flora

Fritz Griebel: Flora. 1920er-Jahre, Bleistift/Papier, 35 x 28 cm.

Diese undatierte und nicht signierte Zeichnung ist nach dem Gemälde „Saskia als Flora“ von Rembrandt van Rijn (1606–1669) entstanden. Es ist anzunehmen, das Fritz Griebel die Zeichnung als junger Künstler nach einer Abbildung fertigte, da er nachweislich nie in St. Petersburg war.

Der Barockkünstler porträtierte seine Frau Saskia van Uylenburgh (1612–1642) dreimal als Flora, der Göttin des Frühlings und der Blumen: 1634, 1635 und 1641. Die St. Petersburger-Fassung entstand im Hochzeitsjahr der beiden. Saskia, die einer Patritzierfamilie entstammte, trägt ein extravagantes Kostüm mit Stickereien und glänzenden Stoffen. Sie hebt sich deutlich vom dunklen Hintergrund ab. In der einen Hand hält sie einen blumengeschmückten Stab, auf dem Kopf trägt sie ebenfalls Blumenschmuck. Ihr Gesicht ist vom Licht hell erleuchtet.

Fritz Griebel interessierte sich in seiner Zeichnung nicht für das schöne Kostüm. Er, der in seiner Kunst immer wieder den Menschen studierte, legte seinen Fokus in der künstlerische Auseinandersetzung mit dem Meister des niederländischen Barocks auf das Gesicht der jungen Frau.

Rembrandt: Saskia als Flora, 1634, Öl/Lwd., 125 x 101 cm. Eremitage, St. Petersburg (The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-Rom, 2002. Distributed by Directmedia Publishing).

Bei genauer Betrachtung ist festzustellen, dass er sich von der Vorlage entfernte. Das Gesicht wirkt modellierter, die Augen sind größer und blicken den Betrachter im Gegensatz zum Vorbild an. Mag die Nase auch etwas ungelenk wirken, so schuf Griebel ein bezauberndes Brustporträt. Der Ausdruck des Gesichtes ist ein anderer als Rembrandt ihn schuf. Diese Flora scheint selbstsicherer und weniger mädchenhaft.

Sehr gekonnt – fast meisterlich möchte man sagen –, führte der junge Griebel den Bleistift. Schattenflächen um den Kopf und Oberkörper schraffierte er, wodurch ihm ein Kontrast zum hellen Gesicht gelang. Die offenen Haare sind in Wellenlinien um den Kopf geführt und fallen sanft über die Schultern. Das Kostüm setzte er aus zarten, dünnen Strichen zusammen. Die Blumen wiederum sind aus weichen, runden Linien entstanden. Für das zarte, etwas runde Gesicht der jungen Frau setzte Griebel sehr dünne Linien auf das Papier, die einen Hauch von Schatten auf das Gesicht zaubern.

So ließe sich die Zeichnung auch als Studium der Linie interpretieren, die mal gerade, gekrümmt, dick oder dünn, hart oder weich auf dem Zeichengrund erscheinen kann. Fritz Griebels Strichführung führt dies sehr anschaulich vor Augen.

 

Antje Buchwald 2014