Die Stadt Nürnberg war im 14. Jahrhundert eines der Webereizentren Deutschlands. Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts kam die deutsche Bildwirkerei zum Erliegen, da sie sich zu eng an die Tafelmalerei angelehnt hatte und somit dem textilen Material und seiner Verarbeitung auf dem Webstuhl durch ‚malerische‘ Effekte widersprach.
Mit der Neugründung der Nürnberger Gobelin-Manufaktur 1941(bestehend bis 2004) unter der künstlerischen Leitung von Irma Goecke knüpfte man an die mittelalterliche Tradition der Bildwirkerei an, die in die moderne Formensprache weitergeführt wurde.
Der Maler und Grafiker Fritz Griebel schuf über 30 Entwürfe für Bildteppiche, die von der Nürnberger Gobelin-Manufaktur ausgeführt wurden. Der Bildteppich Pastorale steht in dieser Traditionslinie. Auf nur wenige Farben und Kettdichte beschränkt, entwirft Griebel hier eine arkadische Landschaft. Arkadien, eine griechische Landschaft im mittleren Peleponnes, galt bereits während der Antike als Musterland der Tugendhaftigkeit und Genügsamkeit. Es wurde zum Schauplatz einer idealisierenden ‚arkadischen‘ Literatur und Kunst seit Theokrit und Vergil. Die wunschbildhafte Hirten- und Liebespoesie verflocht sich seitdem in der topischen Schilderung eines locus amoenus (des lieblichen Haines).
Der in vier Bildreihen gegliederte Teppich besticht durch die Überführung antiker Bildformen in eine moderne Bildsprache. Die Schäferszene, bestehend aus zwei liegenden nackten bzw. halbnackten Frauen und zwei stehenden Hirten, ist von der Bildmitte etwas nach links gerückt. Flankiert wird die Gruppe von antikisierenden Architekturfragmenten. Unterhalb der Gruppe wechseln sich Tiere wie Schafe oder Vögel mit Obstkörben ab.
Oberhalb der Gruppe gestaltete Fritz Griebel fliegende Vögel, ein Vogelnest und deutet hiermit die Himmelszone an. Ein von rechts herangeschwebter griechischer Genius hält Rosen in seinen Händen. Er steht im Blickkontakt mit der Schäfergruppe, die Griebel kontrastierend aufbaute: Zum einen durch den dunkleren Hautton der Flöte spielenden Hirten und zum anderen durch die Stellungen der weiblichen und männlichen Figuren sowie innerhalb der Frauengruppe: Während der rechte Akt dem Genius entgegenblickt, berührt die andere weibliche Figur traumversunken einen Baum. Das direkt über der Gruppe in weiß und grau gehaltene griechische Profilbildnis mit Binde scheint von hellenistischen Münzen inspiriert zu sein. Es wirkt, als ob Griebel hier den Geist der Antike zu beschwören sucht. Die letzte bzw. erste Bildreihe ist der Musik gewidmet. Zeugnis hierfür legt der Kithara spielende Jüngling ab, der wie ein Skulpturfragment gestaltet ist sowie die Notenblätter mit dem Horn.
Die Tapisserie Pastorale kann als ein Schlüsselwerk in der Kunst Fritz Griebels angesehen werden, da es alle Segmente seiner Kunst beinhaltet: Der Mensch im Einklang mit Tier und Natur sowie das Ideal der Antike, das Fritz Griebel zeitlebens als Inspirationsquelle diente.