Habt Ehrfurcht vor dem Baum.
Er ist ein einziges großes Wunder,
und euren Vorfahren war er heilig.
Die Feindschaft gegen den Baum ist ein
Zeichen der Minderwertigkeit eines Volkes
und von niederer Gesinnung des einzelnen.
Alexander Freiherr von Humboldt
Imposant züngelt das schwarze Astgewirr eines alten Baumes in den blauen Himmel. Es drängt sich zu einer Großform, die von einem schiefen Stamm gebündelt wird. Lichtreflexe huschen auf seiner braun-grünlichen Oberfläche vorbei. Es ist nur ein Baum, der auf einem Feld steht – kein spektakuläres Motiv. Und doch vermittelt uns der Künstler ein Gefühl von Über-Wirklichkeit.
Fritz Griebel war 24 Jahre alt, als er dieses Bild zeichnete. Seit 1922 setzte er das 1917 an der Kunstgewerbeschule in Nürnberg begonnene Studium an der Hochschule für bildende Künste in Berlin fort. Unter der Obhut von Hans Meid (1883-1957) veränderte sich auch seine Arbeitsweise: seine perfekten und anonymen Oberflächen öffnen sich. Er wird spontaner und entfernt sich, wenn auch zögerlich, von seinen Vorlagen. Mit Strukturen und Formen füllt Griebel die Bildfläche immer persönlicher. Der Künstler entwickelt seinen Stil.
Dieses Bild kann als Schwellenwerk bezeichnet werden. Wie allen Bilderzeugnissen Fritz Griebels gemein ist, ist auch dieses Bild sachlich und harmonisch aufgebaut. In der Bildmitte steht ein großer Baum, im Mittelgrund weitere kahle Bäume und im Hintergrund zeichnet sich die Silhouette von Heroldsberg ab. Das genaue Beobachten der Einzelheiten der Natur wird bald einem übergeordneten Gesamteindruck der Erscheinungen weichen. Gleichzeitig offenbart sich in diesem Werk eine gewisse symbolische Perspektive. Der Künstler erkennt das Wesen der Natur, weil er sein Wesen in ihr gefunden zu haben scheint.
Ähnlich wie Vincent van Gogh (1853-1890) scheint Fritz Griebel auf der Suche nach Wahrhaftigkeit in der Erfassung der Erscheinungen gewesen zu sein. Alle Wirklichkeit wurde für ihn zugleich zum Symbol.