Nürnberg

Fritz Griebel: Nürnberg im 17. Jahrhundert.

In diesem Monat wird kein Bild von Fritz Griebel vorgestellt. Wir wollen vielmehr den Aspekt der angewandten Kunst in seinem Werk etwas beleuchten. Griebel studierte seit 1917 an der Kunstgewerbeschule (die spätere Akademie der Bildenden Künste) in Nürnberg Buchkunst und Graphik. Bereits 1922, als er sein Studium in Berlin fortsetzte, erscheinen Buchillustrationen als Scherenschnitte von ihm in dem Büchlein Gottesgarten; weitere Illustrationen sollten folgen.

1928 z:B. erschien das Buch Nürnberg/Nuremberg, für das Fritz Griebel Illustrationen nach einem Gedicht von Henry Wadsworth Longfellow (1807–1882) lieferte. Einige Gedichtzeilen und Illustrationen sollen im Folgenden vorgestellt werden.

Longfellow, Daguerreotypie von Southworth & Hawes, um 1850.

Henry Longfellow war ein amerikanischer Schriftsteller, Lyriker, Übersetzer und Dramatiker. Longfellow, heute in den USA zunehmend in Vergessenheit geraten, verfasste eingängige Reime und war ein Volksdichter. Er beschäftigte sich als einer der ersten mit typisch amerikanischen Themen, wie Patriotismus, Liebe, Landschaft, Natur und Traditionen seiner Heimat Neuenglands.

Zwischen 1825 und 1829 sowie von 1831 bis 1835 bereiste er Europa . Er lernte unter anderem Deutsch, Niederländisch, Schwedisch und Finnisch. Er las viel und wurde besonders von der deutschen Romantik und von Goethe beeinflusst.

Während seiner ersten Europareise besuchte er auch Nürnberg. In seinem Gedicht Nuremberg drückt sich seine Begeisterung für die alte Kaiserstadt aus. Besonderes Augenmerk legt der Dichter auf das historische Nürnberg und beschreibt seine touristischen Sehenswürdigkeiten. Insgesamt ist das Gedicht Ausdruck für die Faszination, die die Stadt zu allen Zeiten auf Touristen ausübt(e).

Stadtansicht Nürnbergs aus Scheldelscher Weltchronik, 1493.

Dem Gedicht vorangegeben ist eine feine Tuschezeichnung Griebels. Sie zeigt den Prospekt von Nürnberg im 17. Jahrhundert und stimmt den Leser auf die folgenden Seiten ein. Die Zeichnung ist als Motto zu bezeichnen. Dargestellt ist die Kaiserburg, um die sich die Stadt ansiedelte. Griebels Zeichnung steht in der Tradition der ästeten Stadtansicht Nürnbergs, die sich in der Scheldelschen Weltchronik aus dem 15. Jahrhundert befindet.

Griebel illustrierte nicht nur das Gedicht Longfellows, er gestaltete auch den Text. Er zeichnete die Initiale, der durch Zierrat hervorgehobene Buchstabe am Beginn des jeweiligen Textabschnitts.

Im Vordergrund der Zeichnung sehen wird den Schönen Brunnen, eine Hauptattraktion der Historischen Meile Nürnbergs. Er ist rund 19 Meter hoch und hat die Form einer gotischen Kirchtumspitze. Erbaut gegen Ende des 14. Jahrhundert von Heinrich Beheim (14. Jh- –1403), stellen vierzig bemalte Figuren in vier Stockwerken das Weltbild des Heiligen Römischen Reiches dar: Philosophie, die Sieben freien Künste, die vier Evangelisten, die vier Kirchenväter, die sieben Kurfürsten und die Neun Guten Helden, Moses und schließlich die sieben Propheten.

Griebel ging es in seiner Zeichnung nicht so sehr um die Erfassung von Details denn der Form. Im Hintergrund sehen wir die Westfassade der römisch-katholischen Frauenkirche ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert; auch hier betonte der Künstler die Form der Architektur.

Reizvoll ist das angedeutete Treiben auf dem Markt. Da fährt eine Kutsche vorbei, zwei Männer betrachten den Schönen Brunnen, und es sind allerlei Marktstände zu entdecken.

Natürlich darf in einem Gedicht über die Geschichte Nürnbergs Albrecht Dürer (1471–1528) nicht fehlen. Longfellow bezeichnet ihn als »Evangelist der Kunst«, ein Verkünder der Kunst. Griebel versah die Initiale mit einem Dürer-Porträt.

Die zur Textstelle gehörende Zeichnung zeigt links das Dürerhaus, in dem der Maler mit seiner Frau, seiner Mutter und Lehrlingen von 1509 bis zu seinem Tod wohnte, aus der Luftperspektive. Es hebt sich von den anderen Häusern ab, da Griebel hier nicht nur das Dach zeichnete. Deutlich zu erkennen ist die Stadtmauer.

Die Meistersinger waren bürgerliche Dichter und Sänger im 15. und 16. Jahrhundert. Sie setzten sich größtenteils aus Handwerksmeistern zusammen, aber auch Priester, Lehrer und Juristen zählten dazu. Zunftartig organisiert leiteten sich ihre Dichtungen und Melodien aus dem Minnesang ab, richteten sich jedoch nach strengen Regeln.

Griebel verzichtete in seiner Tuschezeichnung auf die Darstellung von Meistersingern. Er wählte zur Illustration eine Gasse am Burgberg. Im Vordergrund sehen wir ein Fachwerkhaus. Seine Staffagefiguren stammen aus der Gegenwart. Hiermit unterstützt Griebel den Vers Longfellows, indem er den Betrachter auffordert, sich in die Zeit Nürnbergs des 15. und 16. Jahrhunderts zurückzuversetzen, das sich bereits im Hochmittelalter zu einer überregionalen Fernhandelsstadt entwickelte.

Gesamt betrachtet sind die Zeichnungen Griebels eine Bereicherung des Textes. Text und Bild ergänzen sich. Die Tuschezeichnungen demonstrieren Griebels Talent als Zeichner von Stadtansichten. Seine Architekturdarstellungen zeugen vom schnellen Erfassen der Form und seine Staffefiguren sind durch feinen Humor charakterisiert.

Antje Buchwald 2013

 

Literatur: