Nach seinem Studium an der Kunstgewerbeschule Nürnberg (heute Akademie der Bildenden Künste) bei Rudolf Schiestl (1878–1931), zog der junge Fritz Griebel 1922 über Dresden nach Berlin, wo er sein Studium an der Vereinigten Staatsschule für freie und angewandte Kunst (heute Universität der Künste Berlin) fortsetzte, Meisterschüler von Hans Meid (1883–1957) wurde und sich 1927 in Heroldsberg als freischaffender Künstler niederließ.
Berlin war seit 1920 nach New York, London, Tokio und Paris die fünftgrößte Stadt der Welt und größte Industriestadt Europas. In der Metropole tobte der Bär: Neue Großkinos nach der Ära des Stummfilms entstanden, der Alexanderplatz war mit Leuchtreklametafeln plakatiert, die die Nacht zum Tag machten, man tanzte mit Erika (1905–1969) und Klaus Mann (1906–1949) auf dem Vulkan und Max Reinhardt (1873–1943) ließ seine Theater am Kurfürstendamm erbauen.
Hier in Berlin griff Griebel erstmals zu Pinsel und Ölfarbe, hatte er doch zuvor vornehmlich Scherenschnitte und Aquarelle geschaffen. Es entstanden expressionistische Selbstbildnisse und Ansichten. Griebel war damals bestrebt, sich an aktuelle Berliner Tendenzen in der Malerei zu orientieren. Doch schon bald wandte er sich der Neuen Sachlichkeit zu, einer Malerei, die sich von der subjektivistischen Haltung des Expressionismus abwandte, um sich der realen Sachwelt zuzuwenden. Aus den dramatischen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges heraus, wandten sich viele Künstler gesellschaftspolitischen Themen zu, wie der Kluft zwischen Arm und Reich in der Großstadt, Prostitution oder der selbstbewussten Frau. Aber auch traditionelle Gattungen wurden im hohen Maß neureflektiert: Porträt, Aktmalerei, Landschaft, Stadtansicht und besonders das Stillleben, des Weiteren das Fensterbild und das Atelierinterieur.
Griebels Ansicht eines Hinterhofes in Berlin-Spandau gliedert die Bildfläche in eine obere Häuser- und eine untere Gartenfläche. Während die Häuserzone sich aus geometrischen Formen und Farbabstufungen von Hell- bis Dunkelbraun und Rot zusammensetzt, wird die Gartenzone von Grün- und Brauntönen bestimmt. Ein Obstbaum, Büsche und Gräser werden von einer höheren Holzwand aus unregelmäßig geformten Brettern eingezäunt. Eine Staffagefigur in Blau sticht aus dem Grün des Hinterhofgartens hervor.
Griebel hält hier einem Schnappschuss gleich eine belanglose Ansicht eines Hauses mit Garten fest. Es mag der Kontrast zwischen glatter Häuserwand und wachsender Natur gewesen sein, der ihn reizte. Auch hier in der Großstadt suchte er die Nähe zur Natur.
Antje Buchwald
September 2020