Das Ölbild zeigt eine Variante des Themas „Arkadien“, das Fritz Griebel immer wieder inspirierte. Arkadien, eine griechische Landschaft im mittleren Peleponnes mit Gebirgen und großen Tälern, galt den antiken Vertretern wegen seiner relativen Unberührtheit als Musterland der Tugendhaftigkeit und Genügsamkeit. Es wurde zum Schauplatz einer idealisierenden „arkadischen“ Literatur und Kunst bei Hesiod, Theokrit oder Vergil. Es wurde zum Topos eines „locus amoenus“ (eines lieblichen Haines). Seit der Antike beschäftigten sich bildende Künstler mit dem Thema „Arkadien“. Im 19. und 20. Jahrhundert interessierte vor allem die Darstellung als Einklang von Mensch und Natur.
Im Zentrum des Bildes sitzen vier weibliche Akte. Der Künstler ordnete sie paarweise auf die Bildhälften an. Auf der linken Seite sitzt im Hintergrund eine sich räkelnde Figur, ihre Arme sind als einzige in den blauen Himmel gestreckt; die Figur vor ihr stützt melancholisch ihren Kopf in die Hand. Ihr gegenüber sitzt auf der rechten Seite eine Figur, deren Gliedmaßen schlaff vom Körper hängen sowie ihre gesamte Haltung nicht gespannt ist; ihr angedeuteter Blick schaut ins Leere. Diese Figur bildet das eigentliche Zentrum des Bildes. Sie wird von der ihr gegenübersitzenden Figur und der Figur hinter ihr gerahmt, die ihre Beine, im Gegensatz zu den übrigen Akten, übereinander geschlagen hat. Sie sitzt aufrecht und hält sich ebenfalls den Kopf mit der Hand, als ob sie nachdenke oder träume. Zwischen diesen beiden Akten steht ein weiterer Akt, der den Betrachter den Rücken zuwendet. Vor den Akten steht bzw. liegt jeweils ein Krug, bis auf den zentralen Akt, der zwei Krüge vor sich hat.
Deutlich sind in der Malweise Bezüge zur impressionistischen Malerei Cézannes erkennbar. Griebel setzt wie dieser jeden einzelnen Tache (Farbfleck) aneinander, um so gleichzeitig einen Farb- und Raumwert zu erhalten. Auf wenige Farbakkorde beschränkt wie Blau, Grün, Rot und Braun, wird ein Maximum an Kontrasten erreicht. Griebel erlangt eine Verkettung der Akte mit der Natur, indem die Taches der Akte sich nicht wesentlich von denen der Natur differenzieren. Besonders deutlich wird dies in der rechten oberen Bildhälfte, wo der stehende Akt sich in die Natur aufzulösen scheint.
Seine Figuren kommunizieren nicht untereinander. Sie bilden keine Gruppe, sondern separieren sich von einander. Sie wirken desillusioniert. Widerspricht dies etwa dem gestellten Thema? Geht nicht der Sehnsucht nach dem Paradies, sein Verlust voraus? Im antiken, nichtchristlichen Kontext enthielt das arkadische Thema die Vergänglichkeit immer schon mit. Hinter der leisen Melancholie, welche die galanten Feste, die Hirten und Nymphen von der Hand Giorgiones, Tizians, Poussins und anderen verbreiteten, steht eine klare Auskunft: et in arcadia ego – auch ich, der Tod, bin in Arkadien.
Antje Buchwald