Ein großes Fenster, gerahmt von weißen Gardinen, gibt den Blick frei auf ein Haus mit Garten. Links daneben hängt an der Wand ein Bild. Es zeigt Farbflecken. Unter dem Bild lehnt ein Keilrahmen an der Wand. Vor dem Fenster steht ein Stuhl mit der Rückenlehne zum Betrachter gewendet. Rechts neben dem Fenster steht angeschnittenen ein kleiner Tisch. Mehr gibt es auf diesem Bild nicht zu sehen. Und doch vermag es Fritz Griebel mit diesem Interieur, das eigentlich nur eine geöffnete Wand zeigt, viel mehr zu sagen.
Motivisch knüpfte er an Adolph Menzels (1815-1905) berühmten „Balkonzimmer“ an, welches als Ölskizze eigentlich nicht für die Öffentlichkeit gedacht war. Es zeigt das Wohnzimmer des Künstlers in Berlin. Zwei große Flügeltüren sind in den Raum geöffnet, über ihnen hängen Gardinen. Es fällt ein Lichtstrahl in den Raum, der die Aufmerksamkeit auf einen Stuhl lenkt. Er ist dem in Griebels Bild stilistisch sehr ähnlich, auch die Position, die Griebel seitenverkehrt wiedergab.
Der Spiegel in Menzels Bild erweitert den Raum und zeigt uns Gegenstände, die sich auf der gegenüberliegenden Seite befinden: ein Bild in einem Goldrahmen sowie einen Sessel. Auffällig ist die Wiedergabe des Lichts. Griebels Bild wird von Blautönen dominiert. Er spachtelte dünn die Farbschichten übereinander; besonders deutlich ist dies auf der linken Bildhälfte zu beobachten, wo sich weißliche, graue und hellblaue Schichten abzeichnen.
Der Raum zeigt Griebels erstes eigenes Atelier im „Gelben Schloss“ nach seiner Rückkehr von Berlin nach Heroldsberg und erklärt vielleicht hierdurch die Bezugnahme auf Menzel. Vermehrt seit dem 19. Jahrhundert entdeckten Künstler den Atelierraum als eigenes Motiv. Sehr häufig malten sie sich bei der Arbeit oder wurden porträtiert wie Caspar David Friedrich (1774-1840). Kersting (1785-1847) malte den Romantiker vor einer Staffelei stehend, Malerpalette, Malstock und Pinsel haltend. Sinnierend stützt er sich auf eine Stuhllehne. Sowohl Griebels Atelier als auch Friedrichs sind betont karg dargestellt, wobei die Paletten, Reißschiene und Zeichendreieck an der Wand die Werkstattatmosphäre Friedrichs mehr akzentuieren.
Der einzige Hinweis, der auf Atelierbild deuten lässt, ist der angelehnte Keilrahmen in Griebels Bild. Die Staffelei – klassisches Utensil eines Malers – ist hier nicht gemalt wurden. Stattdessen nehmen wir als Betrachter den Platz des Künstlers Griebel ein, den er vor der Staffelei gehabt haben könnte. Zeigt uns das gemalte Bild an der Wand des Atelierbildes den Ausblick aus dem Fenster? Dann hätte Griebel sich in diesem Bild mit der primären künstlerischen Handlung auseinandergesetzt – dem Blick. Das Atelier, Ort von Kreativität, fungiert hier als Symbolraum ohne sichtbare Symbole. Es zeigt den Blick – verborgen und offensichtlich – als Anfang aller Kunst ist.
Antje Buchwald