Brauerei in Cervo/Ligurien

Fritz Griebel: Brauerei in Cervo/Ligurien, 1960er-Jahre, Öl/Leinwand, 60 x 80

Fritz Griebel hatte eine Vorliebe für Italien. Ihn muss als Maler das Licht und die Landschaft gereizt haben. Als Kulturinteressierter müssen ihn die Museen und Kirchen in den Bann gezogen haben. Seine erste Italienreise unternahm er 1924 nach Palermo im Alter von 25 Jahren. Seine letzte Italienreise 1966 nach Arco und Rom im Alter von 67 Jahren.

Die Italiensehnsucht der Deutschen wurde spätestens seit der Italienischen Reise Goethes (1749–1832) 1886 zu einem Topos. Eine Reise nach Italien entsprach dem Ideal einer modernen Bildungsreise. Hier vereinigte sich die Liebe zur Natur mit der Liebe zur antiken Kunst – beides basal für die Kunst Fritz Griebels.

Johann Heinrich Tischbein: Goethe in der Campagna, 1787, Öl/Lwd., 164 x 206 cm. Städelsches Kunstinstitut. Frankfurt a.M., Foto: Martin Kraft (Quelle: wikipedia.org)

Zur Zeit Goethes waren es besonders drei Städte, welche Adlige und wohlhabende Bürger anzogen: Rom, Florenz und Venedig. Später kamen noch Neapel, Pompeji, Vesuvio und Paestem hinzu. Während des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen (10. Jh.–1806), das sich als Wiederherstellung und Fortsetzung des Römischen Reiches unter christlichen Vorzeichen sah, wurde in Rom zeitweise durch den Papst die Kaiserwürde verliehen.

Das 18. Jahrhundert war kultur- und kunsthistorisch besonders wichtig. Denn mit den Ausgrabungen in Herculaneum (seit 1738) und Pompeji (seit 1748) wurde die Antike wiederentdeckt. Der Gelehrte Johann Joachim Winckelmann (1717–1768), seit 1755 in Rom ansässig, klassifiziert in seinem epochalem Werk Die Geschichte der Kunst des Altertums (1764) nicht nur die griechisch-römische Antike, sondern er legt den Grundstein für die Formierung der Kunstgeschichte.


Oswald Achenbach (1827–1905): Am Strand von Neapel, zweite Hälfte 19. Jh., Öl/Lwd., 100 x 151 cm (Quelle: wikipedia.org)

Zwischen 1800 und 1830 lebten allein in Rom rund 550 deutsche Maler, Bildhauer und Architekten. Sie verband die Leitinteressen der Epoche: eine sentimentalisch-romantische Naturverherrlichung unter der Gruppe der Nazarener sowie eine klassizistisch-historische Kunstbetrachtung unter der Gruppe der Jünger Winckelmanns (Wilhelm Tischbein (1751–1829), Angelica Kauffman (1741–1807), Anton Raphael Mengs (1728–1779) u.a.).

Griebels in leuchtenden Farben gemaltes Landschaftsbild zeigt im Vordergrund Gebäude und im Hintergrund eine Landschaft mit einem Ackerfeld. Die Himmelszone ist in Blauabstufungen gemalt – nur eine Schleierwolke in der Bildmitte belebt die ruhige, wie eingefroren wirkende Darstellung.

Es handelt sich um die Brauerei in Cervo, in Ligurien, einer kleinen italienischen Gemeinde. Griebel wählte ein profanes Motiv, das er malerisch bearbeitete. Von einem erhöhten Betrachterstandpunkt ausgehend wird der Blick immer wieder verstellt: Da ist zunächst am rechten Bildrand ein großer dunkelgrüner, an der Seite beschnittener Busch. Er verdeckt das seitliche Gebäude fast vollständig. Schließlich versperrt das längsgerichtete Mittelgebäude den Blick auf die Landschaft.

Griebel zog die einzelnen Bildelemente Gebäudekomplex – Hof – Landschaftsraum zusammen. Die Perspektive wird bei ihm zu einer »symbolischen Form« (Erwin Panofsky). Das Bild ist kein Fenster zur Welt mehr im Sinne Leon Battista Albertis (1404–1472), d.h. auf einer ebenen Fläche wird nicht länger ein dreidimensionaler Raum vorgetäuscht wie zum Beispiel im Bild Oswald Achenbachs.


Paul Cézanne: Haus in der Provence, 1882–85, Öl/Lwd., 65 x 81 cm. National Gallery of Art, Washington (Quelle: wikipedia.org)

Vielmehr zeigt Griebel in der Tradition Cézannes (1839–1906) das Bild als Fläche. Farben und Formen werden harmonisch auf der Fläche angeordnet. Dem Prinzip der Farbperspektive folgend baut Griebel sein Landschaftsbild im Vordergrund mit warmen Farben, um es zum Hintergrund hin mit kühlen Farben zu ›verblauen‹.

Die Farbpalette ist auf wenige Farben begrenzt. Es dominiert der Komplementärkontrast von Rot und Grün. Subtrahiert man die Gegenständlichkeit des Motivs, besteht das Bild nur aus Farbflächen.

Die Brauerei in Cervo, entstanden während des Italienaufenthalts oder später aus der Erinnerung, ist Zeugnis für Fritz Griebels Alterswerk, das immer noch eine heitere Stimmung vermittelt. Es ist Zeugnis für einen gereiften Stil, der von seiner Jugendlichkeit, seiner Unbekümmertheit, nichts eingebüsst hat.

 

Antje Buchwald 2017

 

Literatur: