Figürliche Komposition

Fritz Griebel: Figürliche Komposition, 1956, Öl/Leinwand, 50 x 60 cm.

Das im postkubistischen Stil gemalte mittelgroße Bild zeigt einen Rapport von vier Figuren. Zwei weibliche Figuren, gekennzeichnet durch Kleider, werden von jeweils einer männlichen Figur gerahmt; eine dritte weibliche Figur sitzt leicht erhöht am rechten Bildrand. Alle Figuren berühren einander die angedeuteten Hände. Oberhalb der linken Bildhälfte schweben zwei Pferde.

Der von Picasso (1881-1973) und Braque (1882-1963) aus dem Spätimpressionismus, dem analytischen Bildaufbau der Bilder Cézannes (1839-1906) sowie mit Werken der Stammeskunst vornehmlich aus Afrika ab 1907 entwickelte Kubismus gehört mit zu den einflussreichsten avantgardistischen Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts. Er beschäftigte sich mit der Auflösung des Gegenstandes hin zu abstrakten Formen. Landschaften und Stillleben zeichnen sich durch scharfkantige, auf wesentliche Formen (geometrische) schematisiert aus sowie einer aperspektivischen Stilisierung und radikal vereinfachten Farben.

Während im analytischen Kubismus die Gegenstände in verschiedenen Sichtweisen zerstückelt gemalt werden und hierdurch die verschiedenen Perspektiven der Dinge simultan erscheinen, dominieren im synthetischen Kubismus (ab 1912) streng umrissene Farbflächen, deren Überschichtungen Gegenstandsabbildungen erzeugen. Durch reduzierte Schattenangaben wird Körperlichkeit suggeriert, obwohl die strenge Zweidimensionalität der Dinge nicht aufgegeben wird.

Fritz Griebel malte sein Bild im Sinne des synthetischen Kubismus. Auf wenige Farbakkorde begrenzt – rot, grün, ocker, blau –, komponiert Griebel sein Bild mittels großer Farbflächen. Während die weiblichen Figuren eine hellrosafarbene Hautfarbe aufweisen, sind die männlichen Akte in Rottöne gemalt. Allen Figuren ist gemein, dass sie in ihren Bewegungsabläufen wie erstarrt erscheinen. Der kleine linke rote Akt ist frontal gemalt, wie auch die beiden folgenden weiblichen Figuren. Sein linker Fuß berührt einen grünen Kubus. Die Füße der weiblichen Figuren und des größeren roten Aktes malte Griebel hingegen in Seitenansicht, während die Köper frontal wiedergegeben sind. Die einheitliche linke Laufrichtung wird von der rechten hockenden Figur unterbrochen. Ihr Köper ist leicht nach rechts geneigt. Die ockerfarbene Farbfläche des Körpers (ein Kleid?) korrespondiert mit dem ockerfarbenen schwebenden Pferd in der linken Bildhälfte.

Das Motiv des Schwebens taucht in der Griebelschen Sprache oft auf und zudem in allen Techniken – sei es in Gestalt des antiken schwebenden Genius, oder schwebender Figuren. Es symbolisiert die Freiheit des Künstlers, in seiner Kunstwelt jegliche physikalische Gesetze außer acht zu lassen, um Traumwelten zu imaginieren.

Blaue Schlagschatten verdoppeln die Umrisse der Figuren im Hintergrund. Links neben der weiblichen Figur mit dem ocker-grünen Kleid scheint eine graue abstrahierte Figur zu stehen. Überhaupt scheinen die weiblichen Figuren in der Bildmitte mit dem Hintergrund zu verschmelzen. Die sich in der oberen Bildhälfte befindende hellblaue kegelförmige Figuration und der blau-violette Kreis wiederholen Kopf und Hals der Figuren; sie spielen aber auch ironischerweise auf die Brüste der Figur im ocker-roten Kleid an.

Die auf ein Minimum reduzierten Körper der Figuren und deren schematisierten Gesichtszüge (Kreise und Striche für Augen und Nase) lassen darauf hindeuten, dass es Fritz Griebel in diesem Bild vornehmlich um eine harmonische Anordnung der Farbwerte ging. Wie den Vertretern des Kubismus ging es ihm um das autonome Bild, welches die Wahrnehmung freizusetzen vermag. Griebel ordnete die Farbakkorde geschickt in ein Spannungsfeld auf der Fläche an. So ist dieses Bild Ausdruck einer Harmonie, die der Künstler in sich gefühlt haben mag.

Antje Buchwald