Anbetung der Heiligen Drei Könige

Fritz Griebel: Anbetung der Heiligen Drei Könige. 1919/20, Scherenschnitt, 13 x 16 cm.

Die Anbetung des Jesuskindes durch die Heiligen Drei Könige ist ein seit dem 3. Jh. ein bekanntes Bildmotiv in der christlichen Kunst. Es zeigt Maria, Josef und das Jesuskind, dem die Heiligen Drei Könige mit drei Geschenken, Gold, Weihrauch und Myrrhe, huldigen. Oft sind im Hintergrund Ochs und Esel angeordnet sowie am Bildrand Teile der Karawane der Könige und am Himmel kann der Stern von Betlehem zu sehen sein.

Die im Neuen Testament nur bei Matthäus geschilderte Geschichte der „Sterndeuter“ (im griechischen Ausgangstext Magoi, wörtlich „Magier“) aus dem Morgenland erfuhr erst durch Legenden (syrische „Schatzhöhle“), Apokryphen (Pseudo-Jacobus) und Auslegungen der Kirchenväter ihre allmähliche Hochschätzung und Bedeutungssteigerung als Bildmotiv und liturgisches Spiel (bekannt seit dem 11. Jh.), die sich wechselwirkend durchdrangen.

Giotto (1266–1337): L‘Adorazione di Magi, Fresko (1304–06), Scrovegni-Kapelle, Padua (Quelle: wikipedia.org)

Waren die Weisen aus dem Morgenland bis ins Mittelalter an der sogenannten phrygischen Tracht (persische Hoftracht) mit engen Hosen, Tunica und den nach vorne umgekippten Mützen erkennbar, können sie seit dem 8. Jh. Königskronen tragen. Anfangs liegt der Fokus in der Darstellung auf das Darbringen der Gaben und nicht auf die Anbetung.

Die Dreizahl ist seit dem 5. Jh. bezeugt, sehr wahrscheinlich von den drei Gaben abgeleitet. Die Zahl Drei ist zudem seit dem vorchristlichem Altertum ein Symbol der Vollkommenheit. Im 8. Jh. werden die Drei Heiligen Könige auch zu den damals bekannten drei Kontinenten Europa, Asien und Afrika und zu den Lebensaltern in Beziehung gesetzt.

Einen entscheidenen Aufschwung in der Dreikönigsverehrung fand mit der Überführung der Gebeine von drei Männern aus Mailand nach Köln statt: Der kaiserliche Kanzler und Kölner Erzbischof Reinald von Dassel erhielt nach der Eroberung Mailands (1162) die Gebeine 1164 als Geschenk von Kaiser Barbarossa. Sie werden noch heute im Kölner Dom aufbewahrt und verehrt und entfalteten besonders von dort ausgehend den Dreikönigskult.

Jacopo Bassano (1510–1592): L‘Adorazione di Magi, frühe 1540er-Jahre, Öl/Lwd., 235 x 183 cm, Scottish National Gallery (Quelle: wikipedia.org)

Die außerordentliche Bedeutung der Anbetung der Heiligen Drei Könige ist in ihrer religiösen und kultischen Stellung selbst begründet: Ihre Anbetung war auslegbar als Heiligung durch Christus selbst und nicht durch die Kirche. So sollten die Gebeine der sozusagen „ersten christlichen Könige“ dem Reich Barbarossas eine sakrale Rechtfertigung ohne Abhängigkeit vom Papst verleihen. Des Weiteren wurde die Heiligung als „per viam cultus“ (durch den Weg des Kultes) angesehen und damit Volksbräuchen zugänglich bzw. integrierend; durch die Auslegbarkeit als Weise und Könige konnten sie als das sich Christus und der Kirche unterwerfendes Heidentum angesehen werden.

Die Darstellung der Anbetung in der Kunstgeschichte basiert auf der Weihnachtsgeschichte des Matthäus-Evangeliums (2,1–12), in der berichtet wird, dass Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren wurde. Es kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“ Als Herodes dies hörte „erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem.“ Er rief die Sterndeuter heimlich zu sich und erkundigte sich bei ihnen, wann der Stern erschienen sei. Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: „Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige.“ Matthäus weist bereits in der Einleitung seines Evangeliums auf die Erzählung vom Kindermord in Betlehem (Mt 2, 16–18) hin und damit auf das zentrale Motiv der Ablehnung des Messias durch sein eigenes Volk.

Die Weisen folgen wieder dem Stern, der nun als wegweisender Wanderstern beschrieben wird. Er zieht vor ihnen her bis nach Betlehem und bleibt dort stehen. „Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.“

Die Darstellung der Anbetung der Heiligen Drei Könige als Scherenschnitt im Schwarzschnitt ist ein frühes Meisterwerk des damals 20-jährigen Fritz Griebels. Wie bei dem romantischen Maler Philipp Otto Runge (1777–1810) liegen seine künstlerischen Wurzeln im Scherenschnitt. Beide gingen über den kindlichen und heimischen Dilettantismus hinaus und sollten später den Scherenschnitt zur Kunst erheben. Ist dies für Runges Werk bereits in der kunsthistorischen Forschung gewürdigt wurden, steht es für Griebels Werk noch aus.

Fritz Griebel entdeckte für sich den Scherenschnitt zu einer Zeit neu, als dieser im frühen 20. Jahrhundert eine Wiederbelebung erfuhr: Wesentlichen Anteil hieran hatte der Dresdner Dichter Ferdinand Avenarius (1856–1923). In seiner von ihm gegründeten und herausgegebenen Zeitschrift Der Kunstwart (1887–1932), die ähnlich wie die Jugend zum Kristallisationspunkt der Reformbewegungen wurde, stellte man vergessene Klassiker des Scherenschnitts in einer eigenen Reihe neu vor und wirkte damit anregend auf junge Künstler und Dilettanten. Das Schattentheater (u.a. Schwabinger Schattenspiele) erlebte eine Renaissance und der erste abendfüllende Trickfilm der Filmgeschichte wurde 1926 in Berlin uraufgeführt: der Silhouetten-Animationsfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed von Lotte Reiniger (1899–1981).

Es erschienen zahlreiche Kalender und Postkarten mit Scherenschnittmotiven aller Gattungen, und es fanden große Ausstellungen, wie z. B. 1914 die Jahrhundert-Ausstellung Deutscher Kunst 1650–1800 in Darmstadt und die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Grafik in Leipzig statt.

Griebel setzte sich in seinem Frühwerk im Scherenschnitt besonders mit christlichen Themen auseinander, was als Sohn eines Pfarrers auch nicht sehr verwundert. Bereits 1920 bildete die Zeitschrift Dekoreative Kunst zwei Scherenschnitte von ihm ab: den Heiligen Franziskus und eine Anbetung des Jeuskindes durch die Hirten. „Diese beiden glücklich gewählten Beispiele seines Schaffens zeigten ihn im Ausdrucke schon völlig selbstständig, urteilte Heinrich Höhn 1929.

Das Besondere an diesem kleinen Scherenschnitt ist seine märchenhafte und surreale Stimmung. Griebel verzichtete auf die traditionelle Krippe mit dem Jesuskind darin. Stattdessen schnitt er die bekrönte Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm. Auch findet sich bei ihm weder ein Haus noch ein Stall, in denen Josef und der Engel seinen Platz gefunden hätten. Der junge Künstler konzentrierte sich hingegen ganz auf die Huldigung des Jesuskindes.

Vor ihm kniet einer der Weisen, der seine Krone abgesetzt hat. Das Jesuskind segnet ihn. Die anderen Weisen sitzen auf Pferden und halten sich an den Händen. Keine Karawane begleitet sie. Es ist eine sehr intime Szene. Nur der Ochs wohnt ihr als stiller Zuschauer bei.

Griebel situierte seine Anbetung in eine Wüstenlandschaft, die durchaus der Geografie Judäas bzw. des südlichen Westjordanlandes entspricht. Die surreale Stimmung des Schnittbildes vermittelt die große Fantasieblume, deren stammähnlicher Stengel sich gabelt und sich schützend über die Szene legt. Auf subtile Weise schnitt er einen Kometenschweif in der sich neigenden Blüte hinein. Schnitt der Künstler das biblische Personal als Silhouetten, so sind die Blüten und Knospen – die symbolisch auf das christliche Zeitalter verweisen können –, in feine Papierlinien geschnitten. Auf diese Weise suggeriert Griebel Volumen und Farbigkeit in der schwarzen Flächenkunst Scherenschnitt.

Sind auch die Profile der Heiligen Drei Könige, Marias und des Jesuskindes nicht sehr gut herausgearbeitet worden, überzeugt das frühe Schnittbild allerdings in seiner Komposition und surrealen Note, die auf einen begabten Künstler hindeuten. Das surreale Element ist im Scherenschnitt im frühen 20. Jh. nach bisherigen Kenntnissen einzigartig. Es betont das Wunder der Geburt Jesu.

Antje Buchwald 2015

Literatur:

  • Manfred Becker-Huberti: Die Heiligen Drei Könige. Geschichten, Legenden und Bräuche, Köln 2005.
  • Hans Hofmann: Die Heiligen Drei Könige. Zur Heiligenverehrung im kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Leben des Mittelalters (= Rheinisches Archiv. Nr. 94), Bonn 1975.
  • Heinrich Höhn: Fritz Griebel und seine Scherenschnitte. In: Mein Frankenland, Nr. 6 (1929), S. 236-247, Zita S. 240f.
  • J. M. Timmers: Drei, Dreizahl. In: LCI. Lexikon der christlichen Ikonographie, Rom u. a. 1968, Bd. 1, S. 524.
  • A. Weis: Drei Könige. In: LCI. Lexikon der christlichen Ikonographie, Rom u. a. 1968, Bd. 1, S. 539–549.