Zeichen der Christenheit

Fritz Griebel: Dreieinigkeit, Scherenschnitt

Dreieinigkeit:
Dreieck, Kreuz, Vogelschwingen als Zeichen für Vater, Sohn, Heiliger Geist

Aus dem Buch “Zeichen der Christenheit” von Fritz Griebel
erschienen im Laetare-Verlag, Nürnberg 1959

Fritz Griebel war ein gläubiger Mensch. Als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Heroldsberg bei Nürnberg war ihm der tägliche Umgang mit religiösen Riten vertraut. Diese christliche Sozialisation findet später auch Eingang in seiner Kunst.

Bereits zu Beginn seiner Künstlerlaufbahn waren es christliche Themen, die ihn inspirierten. Entstanden sind diese frühen Zeugnisse im Scherenschnitt, den er schon im Kindesalter ausübte. Leider sind keine Schnitte vor den 1920er-Jahren erhalten geblieben.

Beide frühen Schnittbilder bezeugen Griebels sensibles Gespür für Schere und Tonpapier, für Linie und Form. Schon die intime „Weihnachtsszene“ verrät sein Schneidetalent. Engel und die Muttergottes vermitteln eine Zärtlichkeit, obwohl sie nur schwarze Silhouetten sind , auf denen sich kein Gesichtsausdruck beobachten lässt. Der junge Künstler suggeriert dieses Gefühl allein aus der Linie heraus. Das Jesuskind ist der einzige Lichtschimmer in der Komposition. In dieser kleinen Form, die ihre Hände Maria entgegenstreckt, steckt das ganze Geheimnis des Menschsein: Liebe.

Ist die Weihnachtsszene eher blockhaft, so ist die Vogelpredigt des Heiligen Franziskus etwas freier angeordnet. Auch hier zeigt sich Griebel als genauer Beobachter. Die Vogelschar lauscht andächtig den Worten Franz von Assisi, dessen Heiligenschein sich in der kreisförmigen Anordnung der Vögel im Himmel wieder findet.

1922 erschien Griebels erste Buchveröffentlichung Gottesgarten. Scherenschnitte von Fritz Griebel in Begleitung alter Lieder und wird hoch gelobt; 1929 erschien dann eine zweite Auflage. In der Pieta scheint die Natur auf die Klage Marias zu antworten: Die Zweige der Tannen sind vom Wind gewirbelt, nach oben gekrümmt und wie gegen den Strich gebürstet. Die schlanken Stämme geben den Blick frei auf die Mutter-Sohn-Gruppe und verleihen dem Bild zusätzliche Höhe. Griebel schuf hier eine dramatische Szene.

Wandte er sich natürlich im Laufe seines Künstlerlebens auch anderen Techniken und Themen zu, so hat ihn die christliche Bildsprache zeit seines Lebens fasziniert. So entwarf er z. B. viele Entwürfe für Gobelins, die noch heute in Kirchen zu bewundern sind. Der Künstler suchte zudem auf Reisen explizit nach alten christlichen Symbolen.

Er spürte die Symbole in Museen und Kirchen in Deutschland und Italien, im Louvre in Paris, im Britischen Museum in London und anderen Orten auf, so wie er auch über antike Kunst forschte. Schließlich suchte er auch in der Literatur nach ihnen.

Begräbnisstele der Licinia Amias, eine der bedeutendsten antiken Inschriften. Marmor, frühes 3. Jh. n. Ch., aus dem Gebiet der Vatikanischen Nekropole, Rom (Quelle: Wikipedia.org)

Er bevorzugt den Begriff Zeichen und nicht Symbol: „Das viel gebrauchte Wort Symbol scheint uns den tiefen Gehalt dieser Bilder und Zeichen nicht recht zu treffen.“ Es ist hier nicht der Rahmen, näher auf den Unterschied zwischen Zeichen und Symbol einzugehen. Unter dem Terminus Symbol ist allgemein ein Sinnbild zu verstehen, das eine Vorstellung bezeichnet. In der christlichen Religion sind die Symbole Kreuz (Tod, Glaube), Fisch (Erkennungszeichen für Christen) und Alpha und Omega sehr häufig (allumfassender Gott).

In der künstlerischen Auseinandersetzung schuf Fritz Griebel dann neue Zeichen. 27 von ihnen sind in dem 1959 publizierten Buch Zeichen der Christenheit abgebildet. Er suchte das reichlich vorhandene Material, wie er schreibt „auf eigene Weise verständlich und sinnvoll neu zu bilden, zu zeichnen und in der mir geläufigen Technik des Papierschnitts auszuführen.“

Nach den Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg – auch wenn er dies nicht explizit erwähnt –, sei es für ihn wieder an der Zeit, sich mit den frühen Bildern der Christenheit auseinanderzusetzen. „Sie könnten einen wichtigen Beitrag sein bei dem ersten Ringen des heutigen Menschen um die Vertiefung christlicher Erkenntnisse.“ Auch sollen die Zeichen „Anstoß zur Meditation“ sein.

Fritz Griebel: Großformig, um 1960, Scherenschnitt auf getupftem Papier, 52×39 cm

Seine Serie Zeichen der Christenheit steht im Kontext Griebels Reduzierung der Form. Deutlich wird dies bei bestimmten Schnittbildern, die auf archetypische Formen reduziert sind. Die auf antiker Formtradition beruhenden christlichen Symbole mögen ihm weitere Anregung geliefert haben.

Hervorzuheben ist der sehr gekonnte Druck der Schnittbilder im Buch. Deutlich erkennbar sind die feinen Struktur- und Farbunterschiede der Papiere, ja sogar Schattenwürfe sind zu beobachten. Dies wäre bei heutigen Reproduktionen von Schnittbildern auch sehr wünschenswert, bei denen oft die plastische Wirkung des Schnittes nicht mehr zu erkennen ist.

Die Abbildungen befinden sich alle auf der jeweils rechten Buchseite. Auf der gegenüberliegenden Seite steht jeweils unten eine Beschreibung und Deutung des Bildes von Fritz Griebel.

Die künstlerische Ausdruckskraft der christlichen Zeichen reicht von naiv-figurativ bis abstrahierend. In seiner unverwechselbaren Kunstsprache schuf Griebel ausdrucksstarke Symbole. Es tauchen viele Motive auf, die seine Kunst durchziehen: der Korb, Früchte, Pflanzen, Tiere (hier natürlich primär Fisch und Vogel) und Mann und Frau.

Das Buch ist ein würdiger Abschluss für einen Künstlers, der stets mit wachen Augen durch die Welt ging, Formen sah, aufnahm und künstlerisch transformierte. Mittel war ihm der Scherenschnitt, denn nur in dieser Technik konnte er sich wirklich frei künstlerisch ausleben. Er gab ihm allein das Gefühl für Linie, Form und Komposition. Das Buch ist auch Anfangs- und Endpunkt zugleich, sich mit den bildnerischen Wurzeln des Christentum auseinanderzusetzen.

Antje Buchwald 2015

Literatur:
Fritz Griebel: Zeichen der Christenheit, Laetare-Verlag, Nürnberg o.J. (1959), Zitate unpag. (S. 30).