Die Kundschafter

Fritz Griebel: Die Kundschafter, 1954, Tapisserie (Nürnberger Gobelin Manufaktur), 2,52 x 5 m, Bürgersaal Heroldsberg (Dauerleihgabe der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg).

Neben dem malerischen Werk schuf Fritz Griebel ab den 1950er Jahren viele Entwürfe für Wandteppiche, die von der Nürnberger Gobelin Manufaktur, bestehend von 1941 bis 2004, ausgeführt wurden. Dieser Wandteppich hier zeigt in der Bildmitte zwei Männer, die überdimensionierte Früchte an einem Ast über ihre Schultern tragen. Die Last ist in ihren Gesichtern abzulesen. Bekleidet sind die Männer nur noch mit Lumpen und Blättern und werden gerahmt von Früchten tragenden Bäumchen, in dem ein Steinbock und ein Eichhörnchen zu entdecken sind sowie Vögel und Schmetterlinge.

Fritz Griebel wählte für das Motiv der Tapisserie eine Begebenheit aus dem Alten Testament. Nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten begann für sie die Zeit der Wüstenwanderung, um das von Gott ihnen als Besitz versprochene Land Kanaan zu erobern und zu bevölkern. Auf dem Weg dorthin lagerten die Israeliten einige Zeit in der Wildnis Paran. Moses wählte auf Gottes Geheiss hin von den zwölf Stämmen jeweils den Sippenältesten, um das Land Kanaan zu erkunden.

Zu den Kundschaftern gehörten auch Josua und Kaleb, die, als sie ins Traubental kamen, eine Weinranke abschnitten, die so schwer war, dass sie von ihnen mit einer Stange getragen werden musste. Auch Granatäpfel und Feigen nahmen sie mit. (4. Mos, 13,23) Als die Kundschafter nach 40 Tagen zurückkamen, berichteten sie nur schreckliche Dinge über das Land, so dass die Israeliten weinten und nach Ägypten zurück wollten. Josua und Kaleb hingegen zerrissen ihre Kleider und sagten: „Das Land, das wir erkundet haben, ist ein sehr gutes Land, in dem Milch und Honig fließen.“ (4. Mos, 14,6) Zur Strafe Gottes musste das Volk Israels von nun an 40 Jahre in der Wüste bleiben, weil es an Gottes Wort gezweifelt hatte. Nur Josua und Kaleb sollten in das Land Kanaan kommen.

Fritz Griebel entwirft in seinem Bild eine paradiesähnliche Welt. In diesem Land scheint alles gut zu gedeihen. Niemand muss Hunger leiden. Die großen Früchte, welche die Kundschafter tragen, sind Zeugnis hierfür. Aber es kündigt sich bereits das Unheil an. Die zerrissenen Kleider deuten auf die Ungläubigkeit des Israelischen Volkes hin und die damit verbundene Wüstenwanderung.

Seit dem frühen Mittelalter gilt die Gruppe Josua und Kaleb als Typus für das erlösende Kreuzopfer Christi. Fritz Griebel gelingt es mit seiner Bildsprache symbolisch hierauf zu verweisen, indem er auf einprägsame Weise das Leiden der Lasten Tragenden veranschaulicht und eine Stimmung des Friedens und der Harmonie allein durch seine reduzierte Farbgebung und durchdachte Kompostion erzielt. Flora und Fauna sind Ausdruck der unerschöpflichen Fantasie Fritz Griebels.

Antje Buchwald