Kartoffelernte

Fritz Griebel: Kartoffelernte, 1934, Öl/Leinwand, 45 x 90 cm.

Es ist Herbst. Das Jahr neigt sich langsam seinem Ende zu. Auf einem weiten Feld sind Bauern und Erntehelfer damit beschäftigt, auf einem kleinen Acker Kartoffeln zu ernten. In gebückter und hockender Haltung graben sie die Kartoffeln aus der Erde und füllen sie in Säcke. Die Ernte ist mühselig.

Das horizontal ausgerichtete Bild beschränkt sich auf wenige Farben- und Farbabstufungen: Blau, Grün und Braun. In die Bildmitte ordnete Fritz Griebel den Kartoffelacker an, der sich auf einer grünen Wiese erstreckt. Nur die Bäume sowie drei Figuren lockern die Horizontalität auf, welche uns die Weite vermittelt. In der Himmelszone platzierte Griebel einen kleinen Vogelschwarm, nur als schwarze Tupfen wiedergegeben.

Robert Warthmüller: Der König überall. 1886, Öl/Lwd.

Die ursprünglich in Südamerika beheimatete Kartoffel kam im 17. Jahrhundert nach Deutschland. Auf Grund ihrer schönen Blüten wurde die Kartoffel jedoch als botanische Rarität angesehen, und es dauerte lange, bis sie eine Hauptnahrungsquelle Europas werden sollte. Bekannt sind die Propagandafeldzüge für die Kartoffel Friedrich des Großen in Preußen. Seit 1750 unternahm er mehrere Versuche, den Kartoffelanbau in Preußen durchzusetzen und ließ hierfür vor den Rathäusern Kartoffeln als Saatgut an die Bauern verteilen. Doch mussten Ratsdiener und Feldwächter Aussaat und Ernte kontrollierten, um die Untertanen zum kontinuierlichen Knollenanbau zu zwingen. Denn die Bauern gruben die Kartoffeln immer wieder aus. So ordnete er 1756 in der „Circular Ordre“ den Kartoffelanbau einfach an.

Im Gegensatz zu surrealistisch gestalteten Werken aus den 1930er Jahren zeigt uns Griebel hier eine fränkische Landschaft zwischen Heroldsberg und Kalchreuth. Er erfüllt hiermit sein Credo, zwar nach der Natur zu malen, aber niemals naturalistisch. Im Mittelpunkt steht eher die Idee, die veranschaulicht werden soll. Dies erklärt auch das Fehlen von Details.

Vincent van Gogh: Kartoffeln erntende Frau, 1885, Öl/Lwd.

Besonders im 19. Jahrhundert entdeckten Künstler Bauern bei der Feldarbeit als Sujet. Jean François Millet zeigte in seinen Gemälden die Arbeit der Bauern ohne sie zu idealisieren, wie z.B. in dem Bild „Die Ährenleserinnen“ aus dem Jahr 1857.  Van Gogh seinerseits beschäftigte sich zu Beginn seiner Malerei in den 1880er Jahren mit der Welt einfacher Menschen – Bauern bei der Arbeit und in ihren Behausungen. Bezeichnenderweise ist in seinen Stilleben die Kartoffel häufig zu finden, galt sie doch zu jener Zeit als „Arme-Leute-Essen“ (vgl. hierzu auch das berühmte Bild „Die Kartoffelesser“ von 1885). In seinem Bild „Kartoffel erntende Frau“ zeigt van Gogh eine ältere Frau in leicht gebückter Haltung, wie sie Kartoffeln aus der Erde mit einer Harke gräbt, in einem Korb sind bereits einige zu sehen.

Während van Gogh das Nachtschattengewächs uns vor Augen führt, verzichtet Griebel hierauf. Ihm geht es vielmehr darum, eine bestimmte Stimmung, ein Gefühl in uns zu transponieren. Beiden Künstlern war darangelegen, die Erdverbundenheit und das harte Leben der Landbevölkerung zu visualisieren.

Antje Buchwald