Komposition I

Fritz Griebel: Komposition I. um 1935, Öl/Lwd., 35 x 24 cm

Fritz Griebel schuf unzählige Aktbilder, in denen er sehr oft männliche und weibliche Akte im Einklang mit der Natur (Arkadien) oder mit überproportionierten Früchten und Musikinstrumenten darstellte. Unverkennbar war Cézanne (1839–1906) stilistisch in dieser Werkgruppe Vorbild für den Künstler. Sukzessive sollte er sich von seinem Lehrmeister im Geiste lösen, bis hin zur abstrahierten Darstellung.

Paul Cézanne: Die Großen Badenden, 1898–1905, Öl/Lwd., Philadelphia Museum of Art (Quelle: www.wikipedia.org – The Yorck Project, 2002).

Das Werk des Monats ist ein rechteckiges Gemälde, welches eine Ansammlung von Akten in verschiedenen Posen zeigt. Nahezu im Zentrum sitzt eine weibliche Figur in einem schulterfreien, langen, weißen Kleid auf einem Steinquader. Auf ihrem Schoß hält sie mit der einen Hand eine Obstschüssel, mit der anderen eine Frucht. Ihr Arm ist weit abgewinkelt vom Körper. Die Figur scheint an einem grauen, senkrechten, angedeuteten Pfahl zu lehnen, der das Bild separiert.

Fritz Griebel verabscheute Konfussionen. Sein Gesamtwerk kennzeichnet einen klaren Aufbau. Er setzte sich in seiner Kunst sehr oft mit Fragen bezüglich der Form und Komposition auseinander. Wie für Cézanne, war auch für Griebel Harmonie und Gleichgewicht im Bild prioritär. So verwundert es nicht, dass er dieses Werk des Monats nach dem Goldenen Schnitt aufbaute.

Fritz Griebel: Farbkomposition mit menschlichen Figuren, undat., Öl/Lwd., 46 x 55 cm.

Der Goldene Schnitt ist ein besonders als harmonisch empfundenes Maßverhältnis. Er ist eine Teilung einer Strecke in zwei ungleiche Teile, so dass die gesamte Strecke sich zum größten Teil verhält wie dieser zum kleineren. Besonders in Epochen, die auf der Suche nach absoluten Formen waren, wie in der Antike, Renaissance, Klassizismus und auch partiell im Kubismus, wurde der Goldene Schnitt in der künstlerischen Gestaltung angewendet – ja mit seiner Hilfe wollte man sogar den idealschönen Menschen konstruieren (Vitruvianischer Mensch).

Der senkrechte graue Pfahl und die Rückenpartie der sitzenden Figur teilen die Bildfläche in zwei ungleichgroße Flächen. Dadurch, dass die Figur als einzige bekleidet ist, zieht sie die Blicke auf sich und wird zunächst als weiße Form wahrgenommen, die in der Mitte der Fläche (ausgestreckte Beine) platziert ist. So gelingt es dem Künstler, ein Gleichgewicht zu konstruieren.

Adolph Menzel: Das Balkonzimmer, 1845, Öl/Lwd., 58 x 47 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Alte Nationalgalerie.

Pendant der weiblichen Figur ist ein männlicher Akt, der ebenfalls auf einem grauen Steinquader sitzt. Er hat lässig ein Bein angewinkelt und verschattet mit einer Hand sein Gesicht. Unter den Figuren findet kein Austausch, keine Kommunikation statt. Selbst das Paar auf der linken Bildhälfte blickt einander nicht an.

Darauf kommt es Griebel auch gar nicht an. Er will keine Geschichte erzählen, auch wenn die Steinquader und insbesondere der sarkophagähnliche, rechteckige Steinquader auf der linken Bildhälfte an das Gemälde Hirten in Arkadien von Poussin (1594–1665) erinnern können. Die Hirten entdecken auf dem Sarkophag die lateinische Phrase „Et in Arcadia ego“, – auch mich, den Tod, gibt es in Arkadien.

Griebel geht es um Formen und ihre Anordnung auf der Fläche. Die Akte zeigen diverse Köperhaltungen, wie bei einer Unterrichtsstunde beim Aktzeichnen. Die runden, übergroßen Früchte und Blätter kontrastieren mit den aufrechten Körpern. Farblich fügen sie sich in die gedeckten Hautfarben ein. Nur der azurblaue Himmel und das weiße Kleid lockern die erdige Farbpalette auf. Körper und Früchte scheinen miteinander zu verschmelzen.

Die Komposition ist ausgewogen, in sich ruhend. Die skizzenhaft ausgeführten Figuren vermitteln ein Gefühl von tiefster Zufriedenheit und Entspanntheit, die sich auch auf den Betrachter überträgt.

Antje Buchwald 2015