Komposition mit Gitarre

Fritz Griebel: Komposition mit Gitarre. 1948, Öl/Leinwand, 50 x 58 cm, Schenkung von Erna und Erich Kronauer, Schweinfurt Museen und Galerien der Stadt Schweinfurt, Inv. Nr. K-1076.

Das hier vorzustellende Werk des Monats ist Teil der Dauerausstellung „Wegmarken – deutsche Kunst nach 1945“ in der Kunsthalle Schweinfurt. Dank einer großzügigen Spende des Ehepaares Kronauer konnten die Städtischen Sammlungen Schweinfurt das Bild 1998 erwerben. „Angesichts der Lebensleistung von Griebel als Künstler, aber auch wegen seiner Bedeutung als akademischer Lehrer einer ganzen Generation von Künstlern war es seit langem ein Desiderat der Städtischen Sammlungen, ein Gemälde von seiner Hand zu erwerben,“ äußerte Erich Schneider, Leiter der Kunsthalle Schweinfurt.

In dem kleinen, skizzenhaft anmutenden Gemälde Griebels sehen wir zwei weibliche Akte als stehender Rückenakt und sitzend, eine Obstschale, in der sich Weintrauben und eine kürbisartige Frucht befinden, sowie die titelgebende Gitarre, hinter der eine Klarinette ist. Im unteren Bildrand sind einige blaue und grüne Früchte in unterschiedlicher Größe verteilt; sie scheinen aus der Obstschale herausgefallen zu sein. In der oberen Bildzone fliegen drei weiße Vögel über den Köpfen der Akte.

Der stehende Frauenakt ist leicht noch vorne gebeugt, ein Bein und Arm sind abgewinkelt. Die langen schwarzen Haare fließen seitlich auf Nacken und Rücken, da der Kopf zur Seite geneigt ist. In den Händen scheint die Figur eine großes, in Falten gelegtes weißes Tuch zu halten. Handelt es sich hierbei um ein Tischtuch, wie es traditionell auf Obststillleben vorzufinden ist? Oder ist es ein Badetuch?

Der sitzende Akt ist frontal gemalt worden. Die Beine sind angewinkelt und an dem Bauch gezogen, die Arme umfassen die Kniekehlen. Auch dieser Akt hat schwarzes Haar. Er blickt zwar in die Richtung des Rückenaktes, doch ist jede Figur für sich. Es findet keine Kommunikation statt. Es besteht auch kein szenischer Zusammenhang zwischen ihnen und den Gegenständen, da die unterschiedlichen Größenverhältnisse diesen unterbinden.

Bei näherer Betrachtung ist auffallend, dass der Künstler vorwiegend runde geometrische Formen verwendete. So sind sämtliche Früchte auf eine Kugelform reduziert, das Schalloch der Gitarre ist ein schwarzer Kreis, das Tuch ist an einer Seite wie ein Zylinder gefaltet und das Gesäß des Rückenaktes korrespondiert mit der aufgeschnittenen Frucht. Auch die Körper der Frauen sind eher rundlich-üppig als sportlich-athletisch. Dies verleiht dem Bild eine sinnlich-erotische Atmosphäre.

Paul Cézanne: Stillleben mit Äpfeln und Orangen, 1895–1900, Öl/Lwd., 73 x 92 cm, Musée d‘Orsay (The Yorck Project).

Das Stillleben Fritz Griebels erweist sich „in der moderaten Auffassung der Abstraktion der Gegenstände […] eindeutig als typisches Geschöpf der Aufbruchsituation in der deutschen Kunst nach 1945“. In der frühen Nachkriegskunst in Deutschland lassen sich zwei große Hauptentwickungslinien beobachten: Zum einen nahmen Künstler Strömungen vornehmlich aus den USA auf, wie z.B. den Abstrakten Expressionismus von Jackson Pollock (1912–1956), zum anderen orientierten sie sich an die weitgehend gegenständliche Kunst der Väter- und Großvätergeneration, wie die Kunst von Paul Cézanne (1839–1906), Pablo Picasso (1881–1973) oder auch die von Paul Klee (1879–1940). Griebel wählte hier die letztgenannte Strömung. Nach diesem Bild sollte er sich jedoch auch den Strömungen der Abstraktion widmen.

Paul Cézanne: Die Großen Badenden, 1898–1905, Öl/Lwd., Philadelphia Museum of Art (Quelle: www.wikipedia.org – The Yorck Project, 2002).

Die Methode, Objekte in einfache geometrische Formen zu zerlegen geht auf Cézanne zurück. Dieser äußerte 1904 den vielzitierten Satz: „Man behandle die Natur gemäß Zylinder, Kugel und Kegel und bringe das Ganze in die richtige Perspektive, so dass jede Seite eines Objektes, einer Fläche nach einem zentralen Punkt führt […].“

Juan Gris: Gitarre und Klarinette, 1920, Öl/Lwd., 73 x 92 cm, Inv. 2297, Kunstmuseum Basel.

Entstanden drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges interpretierte Fritz Griebel die Stilmittel der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts neu. Sein Stillleben distanziert sich deutlich von seinen Vorläufern in der Kunstgeschichte. Er kombinierte Elemente des Motivs der „Der Badenden“ mit den Stilmitteln des Kubismus, indem er die traditionelle Perspektive hinter sich ließ. Auch die Vorliebe für Musikinstrumente der Kubisten teilte Griebel, wobei die Gitarre singulär in seinem Werk ist.

Durch die Kombination verschiedener Stilmittel und Motive evoziert das Bild eine enigmatische Wirkung. Mag die zurückhaltende Farbigkeit noch getragen sein von den Erfahrungen des Krieges, so zeugen doch die Tauben von Hoffnung auf dauerhaften Frieden.

Antje Buchwald 2014

 

Literatur:

  • Götz Adriani, Cézanne. Leben und Werk, München 2006, Zitat S. 47 f.
  • Erich Schneider, Fritz Griebel, Komposition mit Gitarre, S. 52–53, in: Positionen – Deutsche Kunst nach 1945.
  • Peter Wörfel und Erich Schneider, Erinnerungen an den Maler Prof. Fritz Griebel (1899–1976), in: Schweinfurter Mainleite, Nr. III (Sept. 1999), S. 11–14, Zitate S. 12.