Über Jahrhunderte hinweg war die Hausschlachtung ein winterlicher Höhepunkt in fast jedem Haushalt auf dem Land. Der junge Fritz Griebel hielt diese Tätigkeit in einem kleinen Ölbild fest. Es mutet fast wie eine Skizze an und unterscheidet sich sehr von den surrealistischen Bildern aus der selben Zeit. Mit schnellen Pinselstrichen ließ er einen Stall oder eine Waschküche entstehen, vor dem eine Bauernfamilie mit der Verarbeitung des zuvor geschlachteten Schweins beschäftigt ist.
Das tote Tier liegt seitlich auf der Schlachtbank, die leblosen Hinterbeine hängen von ihr herab. Ein Mann und zwei Frauen rasieren mit Messern die Haut des Schweins und entfernen die letzten Haare, die nach dem Brühen noch übrig geblieben sind. Deutlich zu erkennen ist rotes Blut am Hals, da dem Tier nach dem Töten mit einem Messer in die Halsschlagader gestochen wurde, damit es ausbluten konnte. Einen Teil des Blutes rührt eine dunkel gekleidete Frau in einem Eimer um, damit es nicht gerinnt. Aus diesem Blut wird dann Blutwurst gemacht.
Links im Bild richtet ein Mann und ein Junge eine Leiter auf, auf dem das Schwein gehängt werden soll. Es wird erneut abgewaschen und -gespült und anschließend die Gedärme entnommen und in zwei Hälften geteilt.
Jedes Familienmitglied hat seine Aufgabe. Jeder ist in seinem eigenen Tun gefangen genommen, selbst die Gänse scheinen ihren Beitrag leisten zu wollen. Man kann sich gut vorstellen, wie Fritz Griebel auf seinen Streifzügen durch die Umgebung gebannt auf die sich ihm gebotene Szene blickte. Was mag ihn hieran fasziniert haben?
Natürlich haben sich bereits Künstler vor ihm mit dem Motiv des Schlachtens auseinandergesetzt. In den vormodernen Monatsbildern sind in einem geschlossenen Zyklus visuelle Repräsentationen der Monate des abendländischen Kalenders zusammengestellt. Diese Monatsbildzyklen finden sich als Teil des Bildprogrammes an gotischen Kathedralen, in der spätmittelalterlichen Buchmalerei und im profanen Wandschmuck der frühen Neuzeit. Häufig stehen die Monatsbilder in enger Verbindung zu den zwölf Tierkreiszeichen und sind nahe verwandt mit den vierteiligen Zyklen der Jahreszeiten. Auch wird ihnen eine entscheidende Rolle für die Ausbildung der nachantiken Landschafts- und Genremalerei in Europa zugeschrieben.
Aufgrund der Konstanz der Motive bildeten die Monatsbilder einen eigenständigen ikonographischen Typus. Das Reifen, Ernten bzw. Schlachten und die Weiterverarbeitung von Naturprodukten während eines gewöhnlichen Jahreslauf bestimmte die Gestaltung. Der Umfang des Themenkomplexes der Fleischproduktion schwankt in den Zyklen erheblich. Meist wird der Monat November der Mast der Schweine zugeordnet. Die Bilder zeigen Schweine, die in Eichenwälder getrieben werden. Gewöhnlich folgt im Dezember das Schlachten oder der Verkauf von Rindern oder Schweinen.
Zwei Monatsbilder wollen wir uns genauer anschauen. Auf dem einen sehen wir einen auf einem Schwein knienden Metzger bei dem Durchtrennen der Kehle. Eine Frau fängt das herauslaufende Blut in einem langstieligen Tiegel zur Weiterverarbeitung auf. Ein anderes Bild zeigt die bevorstehende Betäubung des Tieres durch einen Schlag auf den Schädel mit einem stumpfen Gegenstand. Der Blick in den Innenraum zeigt die Weiterverarbeitung des Schweins. Der Vers nimmt hierauf Bezug: »MJT wursten vnd mit praten / will ich mein haws peraten / Also hat das iar ain endt / Got vns genad sendt.«
Im Werk von Pieter Brueghel dem Jüngeren (1564–1638) lässt sich die Übernahme der Ikonographie der Monatsbilder in die Tafelmalerei erkennen. Im Vordergrund eines Dorfes in hügeliger Landschaft sehen wir den toten Körper des Schweins auf der Schlachtbank. Die Beine sind bereits abgeschlagen wurden. Gerade holt ein Mann in roter Jacke zum Schlag aus, um den Kopf abzutrennen. Im Hintergrund und sehen wir eine Heuernte. Das Bild ist in warmen, herbstlichen Farben gehalten. Es mutet fast wie ein Dorffest an.
Vornehmlich in den Niederlanden des 16. und 17. Jahrhunderts wird auch der der tote Körper selbst zum bildwürdigen Motiv. In Joachim Beukelaers Bild (1533–1573) »Geschlachtetes Schwein« dominiert der geschlachtete Tierkörper fast die gesamte Bildfläche. Der geöffnete Körper hängt an zwei Balken von der Decke herab und gibt uns den Blick frei auf sein Innerste. Das Lebewesen wird zu einem Ding. Die Erzählstruktur tritt zugunsten des Malerischen zurück. Der tote Leib wird zu einem Vanitassymbol.
Einen wesentlich radikaleren Weg beschritt die Kanadische Künstlerin Jana Sterbak (geb. 1955). Sie nähte 1987 für ihr Werk »Vanitas: Flesh Dress for an Albino Anorectic« rund dreißig Stücke Rindfleisch zu einem Kleid zusammen (Bild siehe hier). Das löst beim Betrachter Ekel aus und wirft gleichzeitig die Frage auf, warum ein totes Tier, das in Steaks verwandelt und gegessen wird weniger ekelhaft ist als ein Kleid aus demselben Material. Wie Beukelaer führt uns Sterbak das Prinzip der Verwandlung des lebenden Tiers in ein totes Ding vor. Mit der Verschiebung von der Nahrungsproduktion und -aufnahme auf die Mode wird die banale Brutalität augenfällig. Das Werk spielt auf Vergänglichkeit und Verletzlichkeit ebenso an wie auf Perversionen des Körperkults.
Fritz Griebels Bild zeigt uns nicht die mit dem Schlachten einhergehende Brutalität. Es ist auch kein Vanitassymbol. Und es zeigt auch kein herbstliches Dorffest bei schönem Wetter. Griebel malte sein Winterbild in kalten und dunklen Farben. Selbst das Blut ist nicht rot genug, um einen Farbkontrast zu bilden. Griebel bannte einen Augenblick höchster Vertrautheit zwischen der Bauernfamilie. Einträchtig arbeiten die Generationen miteinander. Es ist fast eine soziologische Studie, die der Maler uns zeigt. Eindrücklich vermittelt er den Alltag des Bauernlebens vor mehr als fünfzig Jahren. Das harte und beschwerliche Leben drückt sich besonders in der Rückenfigur aus. Sie ist geradezu symbolisch. Der Mann trägt eine blaue Schürze über seine blaue Jacke. Sein Kopf ist von einer beigefarbenen Mütze bedeckt. Sein Rücken ist etwas krumm, die Beine sind leicht durchgedrückt. Er trägt einen Eimer. Es ist ein alter Mann, der diese Tätigkeit schon sein ganzes Leben ausgeführt hat. Fritz Griebel benötigt hierfür nur grobe Pinselstriche.
Antje Buchwald
Literatur
Gerlinde Strohmaier-Wiederanders: Imagines anni / Monatsbilder. Von der Antike bis zur Romantik. Gursky, Halle 1999.