Auf einer Waldlichtung haben sich nackte Menschen versammelt. Wie einem barocken Vorhang gleich geben die Bäume am linken und rechten Bildrand den Blick frei auf eine Wiese und den himmelblauen Himmel mit ein paar Wolken. Auf der sattgrünen Wiese sitzen und liegen die männlichen und weiblichen Akte. Drei Frauen mit weißen Tüchern, die fast wie gestaffelt hintereinender auf der Bildfläche angeordnet sind, ziehen den Blick des Betrachters auf sich.
Im Vordergrund lagert eine weibliche Figur auf einem weißen, den rechten Unterarm auf einen Obstkorb gestützt. Ikonographisch steht die liegende Figur in der Tradition der Darstellung der Nymphe, Gottheiten niederen Ranges als Begleiterinnen von Dionysos, Artemis oder Aphrodite. Sie verkörpern natürliche Dinge wie Quellen oder Bäume. Sind sie zwar sterblich, ist ihnen doch ewige Jugend und ein sehr langes Leben beschieden. Das Konzept der Nymphe vermittelt die Vorstellung von der Beseelung der Natur und wurzelt im Schamanismus.
Rechts sitzen zwei männliche und weibliche Paare; das Inkarnat der Männer ist dunkler als das der Frauen, ein seit der Antike beliebtes Kennzeichen der Geschlechter. Links stehen zwei Frauen, von denen die eine als Rückenfigur gemalt wurde; in der Mitte von ihnen steht frontal ein Mann, an dem sich die eine Frau anschmiegt, vielleicht halten sich auch beide an den Händen.
Fritz Griebel schuf einen locus amoenus – ein Thema dessen er sich auf vielfältige Weise näherte. Dieser liebliche Ort, ein literarischer Topos von der Antike bis zum 18. Jahrhundert, wird in der bildenden Kunst meist mit Darstellungen des Frühlings und Sommers in Verbindung gebracht, mit einem lichten Hain, mit Blumen, einem Bach oder Quelle. Auf einer lieblichen Wiese findet das Zusammentreffen von Liebenden statt.
Es ist das irdische Paradies. Mensch und Natur sind noch nicht getrennt. Griebel malte keine harten Konturen, vielmehr scheinen die Farben sich miteinander zu mischen. Der nackte Mensch ist noch selbst ein Stück Natur. Frieden und Harmonie sind unmittelbar erfahrbar. Dies war Fritz Griebels großes Anliegen – mit seiner Kunst wenigstens eine Ahnung davon, eine Empfindung zu geben als praktische Lebenshilfe.
Antje Buchwald 2019
Literatur:
- Karin Schlapbach: Locus amoenus. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Stuttgart 2010, Bd. 23, Sp. 231–244. #
- Wolfgang Speyer,/Elisabet Enß: Nymphen. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Stuttgart 2015, Bd. 26,Sp. 1–30.